Organisation

Schübe nach rechts: Wie rechte Parteien das besetzte und geteilte Deutschland prägten

Postdoc-Projekt von Dr. Dominik Rigoll
Teilprojekt des von der VolkswagenStiftung finanzierten Projekts

Überblicksdarstellungen schreiben rechten Parteien im Nachkriegsdeutschland in der Regel keinen großen Einfluss zu. Tatsächlich konnten sich in der Bundesrepublik vor dem Aufstieg der AfD weder rechtsextreme noch rechtspopulistische Parteien dauerhaft im politischen Spektrum etablieren. In DDR waren sie gar verboten. Gleich null war der Impact von Rechtsparteien im besetzten und geteilten Deutschland indes nicht. Im Westteil des Landes verfügten sie regelmäßig über genug Handlungsmacht (Agency), um an der Stabilisierung eines nationalistischen (»nationalen«) Milieus mitzuwirken, von dem aus sie operieren und bei Wahlen politische Achtungserfolge erzielen konnten. Sie entfalteten aber auch Wirkungsmacht (Legacy), zum Beispiel, indem sie rechtes Agendasetting betrieben – allem voran in der Vergangenheits-, Migrations- und Sicherheitspolitik – oder »bürgerlichen« Bündnissen zu Mehrheiten verhalfen, die linke Reformvorhaben verhinderten – so im Fall der Sozialisierungsprogramme der 1945er-Jahre. Selbst im Ostteil des Landes existierte mit der National-Demokratischen Partei Deutschlands (NDPD) eine rechte Blockpartei, die dank ihrer Allianz mit der SED die »nationalen« Interessen ihrer Klientel im Staatssozialismus durchsetzen konnte.

Vor allem in der Bonner Republik, aber auch unter der Besatzung und in der DDR gelang es rechten Parteien also, Rechtsdruck aufzubauen und zu Entwicklungen beizutragen, die als Rechtsruck bezeichnet werden. Mein Projekt untersucht diese Prozesse mithilfe eines nationalismusgeschichtlichen Ansatzes als Nationalisierungsschübe, die bestimmte Bereiche des Gemeinwesens nationalistischer machten und parallel verliefen zu den ungleich besser erforschten Liberalisierungsschüben (West) und Sozialisierngsschüben (Ost). Das Quellenkorpus umfasst erstens die vor allem in Westdeutschland, aber auch in Ostdeutschland und im Ausland seit 1945 entstandene politik-, sozial- und geschichtswissenschaftliche Literatur, die sich ihrem Gegenstand meist unter ganz anderen Prämissen genähert hat und daher ebenso als Sekundärquelle dienen kann wie diverse Demokratie-, Verfassungs- und Staatsschutzberichte von alliierter, west- und ostdeutscher Seite. Zweitens werden systematisch Presseerzeugnisse ausgewertet, wobei solche Medien im Fokus stehen, die am sensibelsten auf Nationalisierungsschübe reagierten, namentlich jüdische, linke und nicht zuletzt nationalistische Periodika.

Stand: 14.6.2023